Die Europäische Kommission hat heute beschlossen, Polen wegen Nichterfüllung seiner Verpflichtungen aus dem EU-Recht vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen. Konkret geht es um das polnische Verbot der Herstellung, des Inverkehrbringens und der Verwendung von genetisch veränderten Futtermitteln. Die Kommission ist der Auffassung, dass Polen mit der Aufrechterhaltung dieses Verbots gegen die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel verstößt, in der ein einheitliches Zulassungsverfahren festgelegt ist.
Sachverhalt
Am 22. Juli 2006 verabschiedete Polen ein Gesetz über Futtermittel, mit dem die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von genetisch verändertem Tierfutter (Genfutter) untersagt wurden. Das Verbot gilt auch für das Inverkehrbringen und die Verwendung von Genfutter aus anderen Mitgliedstaaten und nicht Nicht-EU-Ländern. Gemäß Artikel 65 dieses Gesetzes wäre das Verbot ursprünglich bereits am 12. August 2008 wirksam geworden. Aufgrund einer am 26. Juni 2008 beschlossenen Änderung des Gesetzes ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verbots dann aber auf den 1. Januar 2013 verschoben worden.
Dieses allgemeine Verbot steht im Widerspruch zu der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel, mit der ein einheitliches Zulassungsverfahren auf EU-Ebene eingeführt worden ist. Das Verfahren beruht auf einer unabhängigen Risikobewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Die Mitgliedstaaten dürfen das Inverkehrbringen von Genfutter nicht untersagen, wenn mit einem solchen Verbot gegen die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 verstoßen wird.
Hintergrund
Die Europäische Union hat Verfahren für die Zulassung und Überwachung von genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln in der EU festgelegt. Oberstes Ziel ist es, ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu erreichen; zugleich soll das wirksame Funktionieren des Binnenmarktes gewährleistet werden.
Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 dürfen genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel nur in Verkehr gebracht werden, nachdem sie – im Anschluss an eine umfassende Risikobewertung durch die EFSA – im Rahmen eines einheitlichen Verfahrens zugelassen worden sind. Diese Zulassungen dürfen nur dann verweigert, geändert, ausgesetzt oder widerrufen werden, wenn dies mit der Verordnung vereinbar ist. Die Verordnung vereinheitlicht auch das Verfahren zur Annahme von Sofortmaßnahmen, das dann greift, wenn ein zugelassenes Produkt wahrscheinlich ein ernstes Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier darstellt oder wenn es sich als notwendig erweisen sollte, eine Zulassung dringend zu ändern oder auszusetzen.
Polen hat sich an die in dieser Verordnung festgelegten harmonisierten Verfahren nicht gehalten, und zwar weder bei der Zulassung von Genfutter noch bei der Annahme von Sofortmaßnahmen. Polen ist somit nicht befugt, einseitig und unter Umgehung der in der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 vorgesehenen Verfahren ein allgemeines Verbot des Inverkehrbringens von Genfutter zu verhängen.
Laut der Rechtsprechung verstößt ein Mitgliedstaat gegen EU-Recht, wenn er nationale Vorschriften beschließt oder aufrechterhält, die nicht mit dem EU-Recht vereinbar sind; dies gilt auch, wenn diese Vorschriften noch nicht anwendbar sind.
Die Kommission ist daher der Auffassung, dass Polen mit der Einführung des fraglichen Verbots (ab 2013) gegen seine Verpflichtungen aus EU-Recht verstößt und Rechtsunsicherheit schafft.
Weitere Informationen über das Vertragsverletzungsverfahren: MEMO/11/162
Weitere Informationen über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel: